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Laponia: Winter-Wunderland

Mitten im UNESCO Welterbe Laponia liegt Ritsem. Eine Straße, ein Zeltplatz, eine Jugendherberge, sonst nichts. Hier kann man die Natur noch in ihrer ursprünglichen Form erleben. Die Straße nach Ritsem macht Europas größte, weitgehend unbeeinflusste Wildnis zugänglich. Zumindest teilweise. Vier Nationalparks bilden hier das größte europäische zusammenhängende Naturschutzgebiet, das mit 9.400 Qaudratkilometern größer als Korsika ist. Die Straße nach Ritsem führt von Gällivare rund 200 Kilometer über offene Hochebenen, dichte Fichtenwälder, mäanderte Flüsse, vorbei an unzähligen Seen. Hier leben mehr Elche und Rentiere als Menschen.  

Knapp 40 Kilometer vor Ritsem liegt die Lodge Stora Sjöfallet Fjällanläggning. Für ein paar Tage quartieren wir uns hier ein. Auf dem Campingplatz gibt es eine Sauna. Nach sechs Wochen arktischer Kälte fühlen wir uns wie im siebten Camperhimmel. Rund um die Lodge ziehen sich mehrer Wanderwege, die auch im Winter gut mit Schneeschuhen begehbar sind. Eine Ausnahme in Lappland. In den meisten Nationalparks führt ein Fernwanderweg nach rechts, einer nach links, um nach vielen Kilometern im nächsten Tal anzukommen. Wir packen unsere Schneeschuhe aus. Querfeldein, immer entlang des Sees laufen wir durch hüfttiefen Schnee. Adler ziehen ihre Kreise über dem See. Bald weist uns ein Schild den Weg zum Stuor Muorkke. Knapp 4 Kilometer schlängelt sich der Weg durch ein lichtes Birkenwäldchen. Vorbei an einer Grillhütte kommen wir zum Wasserfall. Zwischen gefrorenen See, Gletschern und blau gefrorenen Steinen zieht der Bach in Kaskaden ins Tal. 

Die Straße nach Ritsem ist bei Sturm und Wind nicht passierbar. Der Wind pfeift dann den Schnee quer über die Straße und türmt ihn meterhoch auf. So erreichen wir erst zwei Tage später als geplant die Fjällstation am Ende des Nationalparks. Anfang März beginnt hier  die Saison und mit uns rücken die ersten Motorschlittenfahrer an. "Die letzen drei Wochen haben Wolken und Sturm die umliegenden Berggipfel verhüllt", erzählt uns die Wirtin von der Jugendherberge. "Ihr habt Glück, dass ihr heute eine so grandiose Aussicht auf die schwedische Winterlandschaft habt.  Wir fellen die Tourenski auf. Quer über den zugefrorenen Akkajaure ziehen mehrere Skidoo-Spuren. Sie markieren den 10 Kilometer langen Weg zum anderen Ufer in die Samensiedlung Änonjalme. Im Sommer fährt hier eine Fähre, im Winter brausen die Samen mit ihren Motorschlitten über das Eis. Der Weg wird regelmäßig überprüft, alles was dicker als 50 cm ist, gilt als sicher. Locker und leicht geht es mit unseren Skiern über den See. Immer wieder schweift der Blick zu den tief verschneiten Gipfeln. Berge und Wald. Nichts als Stille, blauer Himmel, Berge und Wald . Einmal tief einatmen, Skistock einstechen, kräftig nach hinten abdrücken, Gewicht verlagern, mit den Armen im Rhythmus mitschwingen. Nach 20 Minuten ist der erste Kilometer geschafft.  Kurze Pause, die Winterlandschaft verzaubert uns. Wir laufen weiter, der Wind pfeift, ist eiskalt, Nase, Mund, Gesicht, alles wird langsam steif. Schneewinter arktisch: wunderschön bei Sonnenschein, tückisch wenn das Wetter umschlägt. Dann verwischen die Spuren im Schnee, die Orientierung verschwindet. 

Von oben präsentiert sich Laponia als arktischer Wintertraum in XXL. Sanfte Hügel soweit das Auge reicht. Darüber thront das majestätische Massiv Akka, "Lapplands Königin". Wir folgen der steilen Bergstraße von Ritsem nach Sitasjaurestugorna stramm bergauf. Motorschlittenfahrer, in dicke Thermoanzüge gehüllt, ziehen immer wieder an uns vorbei. Eine letzte Steigung, dann kommt eine rustikale Berghütte in Sicht. In ihrem Windschatten genießen wir unsere Brotzeit. Knapp 1.500 Kilometer von Stockholm erstreckt sich hier zwischen Fjällbergen und Seen ein Wanderweg, der scheinbar niemals endet. Immer wieder gibt es Verbindungen, führt der Weg von Berg zu Berg, von Hütte zu Hütte - quer durch Lappland könnte man hier laufen.