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Grand Canon von Europa

Großes Naturspektakel ganz nah

Pünktlich um 6 Uhr morgens werden wir unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich kann gerade noch verhindern, dass meine linke Hand reflexartig auf den Wecker schlägt. Stattdessen quäle ich mich aus den Federn. Wir stehen rund 15 Kilometer südöstlich der Stadt Corovode und wollen heute eine der spektakulärsten Naturwunder Albaniens mit dem Kajak befahren. Den Osum Canyon.

Entsprechend aufgeregt und schnell verläuft das Frühstück. Klamotten in die Tonne. Schwimmwesten an. Und ab in die Boote.  Jetzt hat es draußen noch angenehme 19 Grad. Gegen Mittag steigt hier das Thermometer auf 37 Grad an. Die ersten 300 Meter verläuft der Fluss noch ziemlich unspektakulär. Zwischen breiten Kiesbänken schaukeln wir über ein paar Schwälle durch  graubraunes Wasser. Schnell ist der Schluchteingang erreicht. Die Luft wird kühler, die hohen Wände nehmen uns sofort gefangen. Mal grau, mal gelb schimmern die skurrilen Felsen. Kleine Höhlen und Löcher in den Wänden lassen uns immer wieder staunen. Wir passieren unzählige Sandbänke, verwunschene Türme und kommen durch  Kathedralen, so hoch, so schön, dass wir vor Ehrfurcht fast erstarren. Wasserfälle stürzen aus senkrechten Felsen in die Tiefe. Wer hier paddelt, kann sich die weite Reise nach Arizona schenken. Der Osum Canyon ist zwar nicht so hoch und breit wie sein amerikanischer Bruder. In Sachen Schönheit aber sicher mit auf Platz 1.

 

14 kilometer Landschaftlicher Hochgenuss und abenteuer

Zum Glück gibt es keine großen Schwierigkeiten beim Paddeln. Durchgehend WW I-II, nur ein paar Schwälle und immer wieder Prallwände benötigen unsere Aufmerksamkeit.  4 Stunden später wird das Tal breiter, die Felsen flacher und wir erreichen Cordovode. 

Wir verstecken die Boote am Ortseingang und springen in unsere trockenen Sachen. "Auf dem Marktplatz könnt ihr ein Taxi nehmen. Kein Problem. Für 10 Euro fährt es euch zurück an euren Lagerplatz, kein Problem", versicherte uns gestern der nette Mann an der Bar. Am Marktplatz: Fehlanzeige. Kein Taxistand. Mit Händen und Füßen finden wir schließlich einen Fahrer. Typ schwergewichtiger Macher, will allerdings 15 Euro und steuert bereits zielsicher auf sein Auto zu. Ein weißer 124 Mercedes Diesel. Zu unserer Freude trägt der gut gepflegte Oldie tatsächlich einen Dachträger auf seinem Haupt. Das ist uns den Aufpreis von 5 Euro wert. Strahlend holt unser Taximan eine Wäscheleine aus dem Kofferraum und zeigt uns so, dass er auch für einen Bootstransport gerüstet ist. Allerdings lässt er sich dann zum Glück schnell davon überzeugen, dass zwei Bootsgurte besser halten als eine Wäscheleine. Wenig später sind wir wieder an unserem Lagerplatz und genießen bei 37 Grad Außentemperatur ein Bad im warmen Osum.

Bis zu 5.000 Booten tummeln sich pro Tag in der Hochsaison auf der Ardeche. Kein Scherz. Wir waren in der Osum Schlucht die einzigen Touristen. Wer die Schlucht befahren will, sollte sein eigenes Kajak-Equipment mitbringen. Oder eine der geführten Rating-Touren buchen.